Ivan, der Schmusebass
VON INGEBORG SCHWENKE-RUNKEL, 25.01.06
Ivan Rebroff
Burscheid - Nichts ging mehr. Kein Stuhl und kein Bankeckchen
blieben frei. Selbst die Treppenstufen mussten als Sitzplatz
herhalten: Wenn Ivan, der Schmusebass lockt, dann kommen
sie, die jungen, die mittleren und vor allem die älteren
Jahrgänge. Der Applaus schlägt ihm entgegen, obwohl
er noch keinen Ton gesungen hat. Wenn er sich in die ersten
Melodien hineingekuschelt und ausprobiert hat, wie es an
diesem Abend um seine Tiefe steht, dann ist ihm Zustimmung
ohnehin gewiss: Ivan Rebroff macht Märchen wahr. Er
ist der Bilderbuch-Kosak mit dem orthodoxen Kreuz um den
Hals, dem goldbestickten Samthemd auf dem mächtigen
Leib und der Pelzmütze auf dem Kopf - eine prächtige
Ikone der russischen Volksmusik.
Seit Hans-Rolf Rippert für sich entdeckt hatte, dass
russische Seele Säle füllt, nennt er sich Ivan
Rebroff und singt vor allem geistliche Gesänge der orthodoxen
Kirche und alte slawischen Weisen. 1989 betrat er zum ersten
Mal in seinem Leben russischen Boden.
Der Knapp-Zwei-Meter-Mann ist eine Wucht. Immer wieder und
immer noch: Glaubt man seinen Biographen, kann er am 31.
Juli seinen 75. Geburtstag feiern. Er wickelt das Publikum
mit seiner Stimme ein, gerade auch, wenn er erzählt.
Er nennt die Zuhörer „meine Freunde“, spricht
vom „erlesenen Raum“ und von der „erlesenen“ Musik.
Trotz seiner Bandscheibenoperation, die ihn über längere
Zeit an den Rollstuhl fesselte, macht er weiter: „Zum
Glück hat der Herrgott in die Kehle keine Bandscheiben
gebaut.“ Seine Gehbehinderung zelebriert er. Würdevoll
schreitet er zum Altar. Er greift zum Stock und kokettiert
damit, so, wie er überhaupt mit seinen Anspielungen
ans Alter im flauschigen Erzählton das Publikum bezirzt: „Am
zweiten Weihnachtstag 2026 treffen wir uns wieder hier.“ Ivan
Rebroff wärmt die Herzen.
Die hervorragende Ausbildung, die er an der Hochschule in
Hamburg erhielt, trägt die Stimme über die Altersklippen
hinweg. Zwar schwächelt sein Falsett, doch seine Technik
macht es ihm möglich, mit schnalzender Zunge das leichte
Pferdegetrappel nachzuahmen, während die Stimmbänder
die Melodie summen. Ach, das Summen! Welche Wonne, dass bei
all den bekannten Weisen die Menschen einstimmen können
und sich im sanften Wiegen von „Suliko“ und den „Abendglocken“ wiederfinden.
Aber bitte, bitte lieber Ivan Rebroff, nicht wieder Schuberts „Ave
Maria“. So viel Weihrauch und ölige Süße
erträgt die Jungfrau nicht. Dann lieber das tausendmal
gehörte „Wenn ich einmal reich wär'“,
dessen virtuoses Hühnergegacker die Zugabe krönte.
Rebroffs Freunde waren nicht nur die Zuhörer, Rebroffs
Freunde waren auch die Musiker des Trios „Sabawa“.
Irina Kripakova, Slawa Kripakov und Ilia Kurtev zauberten
auf Domra, Balalaika und Knopfakkordeon das Weinen und das
Lachen der russischen Folklore - ein echter Genuss.
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